www.blumenwiesen.org Monika Kreusel - Borderline-Persönlichkeitsstörung



Dialektisch Behaviorale Therapie: Therapiegefährdendes Verhalten

Es gibt einerseits therapiegefährdendes Verhalten auf seiten der Patientin und respektoloses Verhalten bei Therapeuten. Beides muss angesprochen und korrigiert werden, um eine Beendigumg der Therapie zu vermeiden.



Marsha Linehan und Martin Bohus unterscheiden zwei klar differenzierbare Typen von Borderline-Patientinnen:
'Sprunghafte Patientinnen' haben primär Schwierigkeiten, sich auf eine Therapie einzulassen, während die eher depedenten Patientinnen sehr rasch Beziehungen eingehen, die sie dann auch halten, aber Schwierigkeiten haben, Unterbrechungen oder Unzuverlässigkeiten des Therapeuten zu tolerieren. [...] Bezüglich der interaktionellen Selbsteinschätzung kann man Borderline-Patientinnen klar in zwei Gruppen, "depedent-unterwürfige" und "autonom-dominante", unterteilen. Sicherlich erfordern diese beiden Subgruppen unterschiedliche Methoden zur Beziehungsgestaltung. (Martin Bohus, 2002, S. 39)

Marsha Linehan beschreibt beide Subgruppen von Borderline-Patientinnen folgendermaßen:

    Die sprunghaften Patientinnen (Hervorhebung durch uns) haben große Schwierigkeiten, sich auf die Therapie einzulassen; sie kommen und gehen. Sie erscheinen nur unregelmäßig zu den Sitzungen, halten sich oft nicht an Vereinbarungen und scheinen der Therapie und der therapeutischen Beziehung keine große Wichtigkeit beizumessen. Bei diesen Patienten ist die therapeutische Beziehung nur selten ein Thema, es sei denn, der Therapeut selbst spricht es an. Diese Patientinnen haben häufig eine oder mehrere wichtige Beziehungen, zu den Eltern oder zu einem (Ehe-) Partner. Wenn diese Patientinnen den Therapeuten zwischen den Sitzungen anrufen, geht es meist um persönliche Krisen, nicht um Schwierigkeiten mit dem Therapeuten. Sie steckens ehr viel mehr Energie in ihre anderen zwischenmenmschlichen Beziehungen als in die Beziehung zum Therapeuten. Solange sie sich in anderen Beziehungen sicher fühlen, verpassen sie Therapiesitzungen oder brechen die Therapie ab. Diese Patientinnen haben normalerweise noch nicht viele psychotherapeutische Beziehungen hinter sich. Das wichtigste therapiegefährdende Verhalten ist bei diesen Patientinnen das mangelnde Einlassen auf den Therapeuten.

    Auf der entgegengesetzten Seite des Spektrums finden wir die anhängliche Patientin (Hervorhebung durch uns). Sie geht sehr schnell eine enge Bindung mit dem Therapeuten ein. Sie verpasst so gut wie nie eine Sitzung und versucht, einen Alternativ-Termin zu vereinbaren, wenn sie doch zu einer Sitzung nicht erscheinen kann. Viele dieser Patientinnen fordern und benötigen längere und häufigere Sitzungen sowie häufige Telefonate mit dem Therapeuten zwischen den Sitzungen. Von Beginn an sind Schwierigkeiten in der therapeutischen Beziehung ein zentrales Thema. Der Therapeut ist häufig die wichtigste Bezugsperson für die Patientin; die therapeutische Beziehung oiftmals die wichtigste zwischenmenschliche Beziehung. Anhängliche Patientinnen brechen sehr selten die Therapie ab; im Gegenteil fürchten sie sich vor der Beendigung der Therapie und haben bereits große Schwierigkeiten, wenn der Therapeut nur in Urlaub geht. Viele dieser Patientinnen haben bereits mehrere therapeutische Beziehungen hinter sich, die dieses anhängliche Verhalten verstärkt haben. Ein zentrales therapie-gefährdendes Verhalten dieser Patientinnen ist die Unfähigkeit, akzeptieren zu können, dass jeder Therapeut Schwächen hat und nicht in der Lage ist, alle ihre Bedürfnisse zu erfüllen (Marsha Linehan, 1996, S. 96).



Es werden in der DBT drei Kategorien therapiegefährdenden Verhaltens unterschieden:


  • Verhaltensweisen, die die Patientin daran hindern, die Therapie wahrzunehmen: Fehlende Teilnahme, häufiges Zuspätkommen, unabgesprochene stationäre Klinikeinweisung, suizidales Verhalten oder Androhung von Suizid in Gegenwart von Personen, die berechtigt sind, die Patientin in eine Klinik einzuweisen, Einnahme von bewusstseinsverändernden Medikamenten vor der Sitzung, Abbruch der Sitzung vor dem Ende, psychogene Anfälle während der Sitzung usw.


  • Unfähigkeit oder Weigerung, in der Therapie mitzuarbeiten: lügen, während der Sitzung nicht sprechen, sich während der Sitzung emotional zurückzuziehen,. auf die meisten Fragen mit "ich weiß nicht" antworten.


  • Compliance-Probleme in der Umsetzung: Nichteinhalten von Vereinbarungen, Wochenprotokolle werden nicht ausgefüllt, unvollständig ausgefüllt oder nicht mitgebracht, Hauaufgaben werden nicht gemacht, Teilnahme am Fertigkeitentraining wird verweigert.

(Martin Bohus, 2002, S. 40)

In der DBT wird weitgehend auf 'technische Neutralität' verzichtet, was von den Therapeuten verlangt, sich als emotional authentisches Gegegnüber zur Verfügung zu stellen (Martin Bohus, 2002, S. 40). Gerade auch, weil die Therapeutische Beziehung oft die einzige Beziehung darstellt, wie von Marsha Linehan beschrieben, ist es von besonderer Wichtigkeit, dass diese einen Modellcharakter für andere Beziehungen darstellt.

    Das heißt, Borderline-Patientinnen müssen lernen, ihre Therapeuten so zu behandeln, dass diese gern mit ihnen arbeiten. Umgekehrt müssen Therapeuten lernen, die Patientinnen dazu zu bringen, mit ihnen zu arbeiten. Die Patientin muss lernen, dass es keine bedingungslose Zuneigung oder Liebe gibt, dass auch der hilfsbereiteste Mensch unter bestimmten Umständen dazu neigt, die Hilfe zurückzuziehen. Auch der Therapeut muss sich vergegenwärtigen, dass bedingungslose Liebe und Zuneigung eine wünschenswerte Illusion darstellen und, dass alle Verhaltensmuster seinerseits, die Illusion zu nähren, zu pathologischen Verhaltensmustern bei der Patientin führen werden (Martin Bohus, 2002, S. 41).

Das bedeutet praktisch, dass die Patientinnen in der Dialektisch Behavioralen Therapie in der Beziehung zum Therapeuten die dort vermittelten zwischenmenschlichen Fertigkeiten anwenden können und so lernen können, sich in Beziehungwen adäquat zu verhalten.

Leider kann es zu typischen Grenzüberschreitungen durch Patientinnen kommen oder zu einer Herabwürdigung der Bemühungen des Therapeuten. Auch Therapeuten sind nur Menschen, die Gefühle und natürliche Grenzen in der Belastbarkeit und Toleranz haben. Martin Bohus zählt folgendes typisches Problemverhalten auf seiten der Patientinnen auf, das die Grenzen einer jeden therapeutischen Beziehungen überschreitet und missachtet:

  • Zu häufige Anrufe beim Therapeuten,
  • Hausbesuche beim Therapeuten, Kontaktaufnahme mit dessen Familie,
  • Lösungen für Probleme zu verlangen, die der Therapeut nicht lösen kann,
  • Häufigere oder längere Sitzungen zu verlangen, als sie der Therapeut leisten kann,
  • Sexuell provozierendes oder verfühererisches Verhalten,
  • Bedrohung des Therapeuten oder von Mitgliedern seiner Familie,
  • Aggressives Auftreten während der Therapiestunde,
  • Kritik an der Person oder Persönlichkeit des Therapeuten,
  • Kritik an den Wertvorstellung, am Arbeitsplatz oder der Familie des Therapeuten,
  • Fehlende Dankbarkeit oder Anerkennung gegenüber Anstrengungen des Therapeuten,
  • Vergleiche des Therapeuten mit anderen Therapeuten, die als besser einegschätzt werden

(Martin Bohus, 2002, S. 41)

Borderline-Patientinnen haben es in Beziehungen selbst schon oft und früh erlebt, dass ihre Grenzen und Gefühle missachtet wurden, so dass es ihnen auch in der therapeutischen Beziehung schwer fällt, Grenzen bewusst wahrzunehmen und zu respektieren. Ein häufiger Fehler, so Martin Bohus, ist es, erst problematisches Verhalten der Patientin zu tolerieren und, dann plötzlich in Gegenteil umzukippen und die Patientin zu hart zu korrigieren oder anzugreifen (Martin Bohus, 2002, S. 41)



Aber es gibt auch respektloses Verhalten durch Therapeuten, das für die Patientinnen problematisch ist. Folgende Belastungsfaktoren können kompetentes therapeutisches Arbeiten erschweren:


  • Persönliche Umstände, wie Belastungssituationen zu Hause und am Arbeitsplatz,
  • Zeitliche Überbeanspruchung,
  • Unsicherheit bezüglich der eigenen Fähigkeiten,
  • Das Gefühl, die Kontrolle über die Therapiesituation zu verlieren,
  • Angst vor juristischen Folgen,
  • Angst oder Panik, dass die Patientin Suizid begehen könnte,
  • Unrealistische Einschätzung darüber, was in einem bestimmten Zeitraum erreicht werden könnte
  • Wut über Untätigkeit oder Frustration gegenüber der Patientin.

(Martin Bohus, 2002, S. 39)

Die folgenden respektlosen Verhaltensweisen geschehen meist aus Gedankenlosigkeit und unabsichtlich:

Beispiele für respektloses Therapeutenverhalten
  1. Vergessen von Terminen,
  2. Absagen von terminen, ohne neue Termine zu vereinbaren,
  3. Willkürliche Veränderungen von Vereinbarungen mit der Patientin ohne Rücksprache,
  4. Keine oder verspätete Antwort auf Nachrichtenm oder Anrufe,
  5. Verlieren von Unterlagen, Akten und Aufzeichnungen,
  6. Aufzeichnungen oder Unterlagen der Patientin werden nicht gelesen,
  7. Zuspätkommen zur Therapiestunde,
  8. Unprofessionelles Auftreten oder Kleiden,
  9. Unordentlicher oder unsauberer Arbeitsplatz,
  10. Tür während der Sitzung offen stehen lassen,
  11. Unterbrechungen durch Telefonanrufe oder Piepser zulassen,
  12. Vermeidung von Augenkontakt,
  13. Sprechen über andere Patientinnen,
  14. Auf die Uhr sehen während der Sitzung,
  15. Vorzeitige beendigung der Sitzung,
  16. Sexistischer, partriachalischer oder matriarchalischer Umgang.

(Martin Bohus, 2002, S. 39-40)

Literatur:
Bohus, Martin, Borderline-Störung, 2002, Hogrefe
Linehan, Marsha; Dialektisch Behaviorale Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, 1996, CIP-Medien

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Zuletzt aktualisiert am 16.02.2020


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