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Dialektisch Behaviorale Therapie: Stresstoleranz
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Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung geraten in schwierigen Situationen immer wieder in schwere Krisen, werden überwältigt von intensiven Emotionen und schweren dissoziativen Spannungszuständen.
Daher ist es mehr als naheliegend, dass die Betroffenen in der DBT lernen, Strategien zu entwickeln, mit schwierigen Situationen und Krisen besser zurecht zu kommen. Strategien, die förderlich sind und sie nicht in noch größere Schwierigkeiten bringen. Bisher griffen sie möglicherweise zu Alkohol, Drogen oder abhängig machenden Medikamenten, hatten eine Esssstörung oder kauften maßlos ein. Waren von Flashbacks völlig überwältigt.
Alice und Martina Sendera fassen die Inhalte des 4. Moduls zusammen:
»Die Skills, die die Patienten im Modul Stresstoleranz lernen, stellen das Sicherheitsnetz für die Krisenbewältigung dar. Es gilt, möglichst rasch Spannung zu reduzieren, um in Hochstresssituationen selbstschädigende Handlungen zu verhindern. In solchen Situationen ist es wichtig, dass sowohl Skills zur Verfügung stehen, als auch die Bereitschaft Hilfe anzunehmen bzw. um Hilfe zu bitten, vorhanden ist.
Die Basis für Stresstoleranz ist die sogenannte radikale Akzeptanz, das heißt, Wege finden, um unangenehme Ereignisse und Gefühle zu ertragen, wenn sich die Situation nicht verändern lässt.
In einem Zustand, in dem gar nichts mehr hilft, keine Auswege mehr möglich erscheinen und Kämpfen aussichtslos ist, bleibt nur übrig, die Situation zu akzeptieren, wie sie im Moment ist. « (Alice u. Martina Sendera, 2005, S. 165)
Das Annehmen und Akzeptieren einer Situation bedeutet keineswegs, dass Nichtveränderbares oder Traumatisierendes gutgeheißen werden soll.
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Vielmehr geht es darum, dass alle Gruppenteilnehmer sich ihren persönlichen Notfallkoffer zusammenstellen. Das sind Dinge, die jederzeit schnell griffbereit sind und starke Sinnesreize auslösen. Das können getrocknete Chilischoten (zum Daraufbeißen) sein, ein Gummiband für das Handgelenk, ein Igelball, Japanisches Heilpflanzenöl (zum Riechen) oder anderes sein. Der Sinn liegt darin, Dissoziationen und
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den unerträglichen Spannungszustand möglichst schnell, aber ohne langfristigen Schaden, wie bei den sonst üblichen Bewältigungsversuchen der Betroffenen, zu beenden. Auch geeignet sind Imaginationsübungen nach Luise Reddemann sowie Ulrich Sachsse, besonders wenn eine Betroffene schon andere Skills angewendet und mit diesen Übungen Erfahrung hat.
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Schmerzvolle Situationen und Emotionen sind Teil des Lebens, für jeden Menschen gehören sie dazu. Viele Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung allerdings haben extreme Vernachlässigung erlebt sowie anhaltenden sexuellen Missbrauch oder auch körperliche Misshandlungen. In ihrem heutigen Leben leiden sie unter extremer Verlustangst, fallen in 'depressive Löcher', bekommen unkontrollierbare Wutausbrüche oder werden von Alpträumen und traumatischen Erinnerungen gequält. Sie erleben sehr intensive Emotionen, die weitaus heftiger sind als die psychisch gesunder Menschen. Für die Betroffenen kann so ihr Leben, wie es gegenwärtig ist, unerträglich sein.
Recht selten geht es in der Behandlung psychischer Störungen um ein Annehmen der gegenwärtigen Situation, sondern mehr um ein Verändern der Umstände. Die Vergangenheit kann niemand verändern und die gegenwärtige Situationen ist ersteinmal wie sie ist. Statt nun wie bisher in einem Zustand höchster Anspannung auf impulsive Handlungsmuster zurückzugreifen, wird in der DBT radikale Akeptanz ohne Bewerten vermittelt sowie Strategien, wie man sinnvoll und nichtselbstschädigend mit unerträglichen Spannungszuständen und schmerzvollen Emotionen umgehen kann. So werden alte destruktive Muster durchbrochen und neue Wege gelernt, schwierige Situationen zu bewältigen.
Natürlich gibt es aber auch Momente, in denen es hilfreich ist, sich von Schmerz abzulenken. Nicht immer ist der richtige Zeitpunkt um traumatische Erfahrungen in einer Therapie zu bearbeiten. Dafür kann es einer intensiven Vorbereitung und Stabilisierung bedürfen, bis eine Betroffene sich auf diese Arbeit einlassen kann. Dennoch leidet sie sehr unter ihren momentanen Gefühlen und Flashbacks. Dann ist es hilfreich, die momentanen Emotionen wahrzunehmen, nicht zu bewerten und anzunehmen. Statt impulsiv zu reagieren wie bisher, kann die Betroffene nun gut für sich sorgen, sich ablenken, über das Pro und Contra nachdenken oder jemanden um Hilfe bitten. Einige der Hilfsmittel zur Stresstoleranz können nur für einen kurzen Moment wirksam sein, aber sie helfen die unerträgliche Situation zu überstehen und dann weiterzusehen. So hat jede Betroffene die Aufgabe, sich ihren persönlichen Notfallkoffer zusammenzustellen, damit sie jederzeit auf für sie hilfreiche Skills zurückgreifen zu können.
Auch in diesem Modul werden Übungen zur Achtsamkeit vermittelt, die sehr an jene von Thich Nhat Hanh erinnern. Diese, werden sie täglich geübt und sind dazu gedacht, die Realität anzunehmen. Diese annehmende Haltung entwickelt sich erst mit der Zeit, erfordert also regelmäßiges Üben. Fast alle Borderline-Patientinnen, so Marsha Linehan mögen diese Übungen und praktizieren sie. Wenngleich am Anfang manchmal ein wenig Überredungskunst notwendig ist (Marsha Linehan, 1996, S. 131).
Literatur:
Linehan, Marsha; Trainingsmanual zur Dialektisch Behavioralen Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, 1996, CIP-Medien
Sendera, Alice u. Martina; skills-training bei borderline- und posttraumatischer belastungsstörung, 2005, Springer
Sender, Ingrid; Ratgeber Borderline-Syndrom, 2000, CIP-Medien
Fotos:
Chilischoten: Wolfgang Lux www.pixelquelle.de
Igelball: Kerstin Schröder www.pixelquelle.de
In der Skillsammlung Wohlfühl-Oase findest du unter 'Hilfreiches im Notfall' Skills aus der DBT für den Ernstfall sowie zahlreiche Anregungen, wie du im Hier und Jetzt gut für dich sorgen kannst: Notfallkoffer, Krankenhausliste, Stichpunkte für einen Krisenpass, Skills für innere Kinder, Beratungsstellen zur Suizidprävention u.a..
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Ebenso in der Wohlfühl-Oase findest du Achtsamkeitsübungen, Imaginationsübungen, Text zur radikalen Akzeptanz, zur inneren Bereitschaft.
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