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Dialektisch Behaviorale Therapie: Bewusster Umgang mit Gefühlen

Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wurden oft in ihrer Kindheit daran gehindert, ihre Gefühle zu äußern oder ihre Gefühlsäußerungen wurden trivialisiert, negiert oder als unakzeptabel abgewertet (Alice u. Martina Sendera, 2005, S. 71). So konnten sie nicht ausreichend lernen, ihren Gefühlen und Wahrnehmungen zu trauen. Besonders erschwerend ist dies für diejenigen, die durch primäre Bezugspersonen sexuell missbraucht, kö;rperlich misshandelt oder vernachl&ässigt wurden. Zudem leiden sie unter einer Dysfunktion der Emotionsregulation und sind emotional instabil. Da sist eines der wesentlichen Merkmale der Borderline-Störung. Die Betroffenen verstehen oft ihre eigenen Gefühle nicht, können sie dann nur schwer in Worte fassen.

Es ist daher sehr naheliegend, dass Marsha Linehan eines der vier Module dem bewussten Umgang mit Gefühlen gewidmet hat.
Ingrid Sender fasst zusammen, worum es im 3. Modul der DBT geht:

    Dieser Baustein soll den Betroffenen helfen, einen besseren Zugang zu ihrem inneren Befinden und dessen Wahrnehmung zu erreichen. Klärung der verschiedenen Gefühlszustünde und ihre Reaktionen darauf stehen im Mittelpunkt. Deshalb wird genau betrachtet, was eigentlich Gefühle sind, wie sie sich bemerkbar machen, welche Gedanken, welcher Gesichtausdruck und welche Handlungen zum Beispiel zu bestimmten Gefühlen gehören. Ziel ist die Verbesserung der Fähigkeit, eigene Gefühle zu steuern (Ingrid Sender, 2000, S. 46-47)

Beim Lernen, die eigenen Gefühle zu identifizieren geht es hierbei auch darum, in welchem Kontext man sie empfindet und diesen zu beschreiben. Hilfreich ist es dabei folgende Punkte beachtet werden:

  1. die auslösende Situation für das Gefühl
  2. die Interpretationen der Situation, die das Gefühl auslöst
  3. das phänomenologische Erleben des Gefühls einschließlich körperlicher Wahrnehmungen
  4. Verhaltensweisen, die das Gefühl ausdrücken
  5. die Auswirkungen des Gefühls auf weitere Bereiche des Erlebens und Verhaltens

Marsha Linehan, 1996, S. 109

Es ist ganz natürlich, dass Menschen ihren Emotionen unter Stress oder körperlicher Belastung stärker ausgesetzt sind (Marsha Linehan, 1996, S. 109). Gerade für Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ist es daher besonders wichtig, dass sie lernen ihre Verwundbarkeit gegenüber schmerzhaften Gefühlen zu verringern, da sie immer wieder in Krisensituationen geraten und von heftigen Emotionen überschwemmt werden. Dem entgegenzuwirken ist die PatientInnen in der DBT alles andere als einfach. Zu ihren Aufgaben in diesem Modul gehören nach Marsha Linehan:

  1. Körperliche Krankheiten behandeln
  2. Ausgewogene Ernährung
  3. Stimmungsverändernde Substanzen vermeiden
  4. Ausreichender Schlaf
  5. Bewegung
  6. Selbstdisziplin

Marsha Linehan, 1996, S. 179

Dies dient auch dem Aufbau eines Gefühls von Selbststeuerung und Kompetenz (Marsha Linehan, 1996, S. 109). Was auf den ersten Blick einfach und fast selbstverständlich aussehen mag, gestaltet sich für die Betroffenen und ihre Therapeutinnen möglicherweise als sehr schwierig. Dazu Marsha Linehan:

    Borderline-Klientinnen führen häufig einen endlosen Kampf gegen Schlaflosigkeit, eine Pharmakotherapie scheint oft nur wenig zu helfen. Eine ausgewogene Ernährung und eine angemessene medizinische Versorgung kann durch Armut erschwert werden. Die Arbeit an diesen Zielen erfordert eine aktive Haltung der Klientinnen und eine große Ausdauer auf beiden Seiten, bis die ersten positiven Effekte sichtbar werden. Die Passivität vieler Borderline-Klientinnen beim Problemlösen kann hier zu großen Schwierigkeiten führen (Marsha Linehan, 1996, S. 109)

Die Behandlung von Schmerzen und deren Abkl&ärung ist nicht selten für Borderline-PatientInnen von Bedeutung. Es kann hier notwendig sein, dass hier eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich ist. Dies kann beispielsweise bei der Behandlung von Konversionssymptomen der Fall sein, wenn eine Betroffene ganz plötzlich von einem starken Schmerz heimgesucht wird. Alice und Martina Sendera nennen folgende Ziele für den Umgang mit Schmerz:

  • körperliche Beschwerden und Erkrankungen ernst nehmen
  • emotionale Verwundbarkeit verringern (Umgang mit Gefühlen)
  • Umgang mit Schmerzen lernen
  • regelmäige Arztbesuche (Vermeiden von häufigem Arztwechsel)
  • Regelmäßige Einnahme verordneter Medikamente, sowohl der Schmerzmittel als auch eventuell notwendiger Psychopharmaka

Alice u. Martina Sendera, 2005, S. 163

Neben dem Umgang mit den ganzen erlebten negativen und für die Betroffenen oftmals wegen deren Heftigkeit bedrohlichen Gefühle und mit Schmerzen oder auch Schlaflosigkeit geht es in der Dialektisch Behavioralen Therapie auch daruum, positive Erlebnisse häufiger werden lassen zu können. Dazu gibt es zahlreiche Ideen, die Marsha Linehan anbietet. Die Vorschläge sind sehr praktischer Natur und lebensnah, mögen auf den ersten Blick wenig nach Therapie aussehen.

Marsha Linehan beschreibt die Gründe dafür sehr pragmatisch:

    In der DBT geht man davon aus, dass die meisten Menschen, auch Borderline-Klientinnen, oft gute Gründe für eine schlechte Stimmung haben. Selbst wenn bei allen Menschen die Wahnehmung mehr oder weniger verzerrt werden, wenn sie emotional sind, so heißt dies doch nicht, dass die Gefühle selbst die Folge von verzerrten Wahrnehmungen sind. Ein wichtiger Weg, um Gefühle zu kontrollieren, ist daher die Konmtrolle der Ereignisse, die die Gefühle auslösen. Eine M&öglichkeit, positive Gefühle häufiger werden zu lassen, ist die Erhöhung der Anzahl von angenehmen Ereignissen. Kurzfristig betrachtet, heißt dies ein Ansteigen der täglichen positiven Erfahrungen. Langfristig meint es eine Veränderung der Lebensumstände, so dass angenehme Ereignisse häufiger auftreten können. Eine weitere nützliche Strategie ist es, achtsam zu sein für angenehme Erlebnisse, wenn sie auftreten, und nicht auf Sorgen zu achten, dass diese positiven Erlebnnisse aufhören werden (Marsha Linehan, 1996, S. 109, * steht so im Text).

Als negativ empfundende oder bewertete Gefühle, künnen, wenn sie von den Betroffenen erlebt werden Schuld- und Schamgefühle auslösen. Wenn eine Betroffene schmerzvolle Gefühle als etwas negatives bewertet sind Schma, Angst oder Ärger die logische Konsequenz. So hat sie nicht nur die ursprünglichen Gefühle, sondern auch zusätzlich weitere, die aus ihrer Bewertung resultieren. So wird es ihr umso schwerer fallen, belastende und von ihr als 'schlecht' bewertete Gefühle zu tolerieren.

    Häufig könnte eine Person eine schwierige Situation oder ein schmerzhaftes Gefühl ertragen, wenn sie es nur unterlassen würde, Schuld- oder Angstgefühle darüber zu empfinden, dass sie zuvor schmerzhafte Gefühle empfunden hat (Marsha Linehan, 1996, S. 110).

Während die Achtsamkeit in allen Modulen der DBT von besonderer Bedeutung ist, so wird hierbei vermittelt, Gefühle achtsam wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Das dürfte für viele Betroffene eine Herausforderung darstellen, wurden ihnen doch in ihrer Kindheit oder Jugend nicht selten bestimmte Gefühle abgesprochen oder untersagt. Somit ist hierbei zu lernen, verschiedene Gefühle, seien sie für eine Betroffene 'gut' oder 'schlecht' achtsam zu beobachten und nicht zu bewerten.

Eine der Strategien in der DBT mit negativen Emotionen umzugehen, besteht im dem jeweiligen aktuellen Gefühl entgegengesetzt zu handeln. Hierbei geht es nicht um das Blockieren des für die Betroffenen unerwünschten Gefühls in einer Situation, sondern mehr um das Ausdrücken einer anderen Emotion. So kann eine Betroffene, die wütend ist auf jemand, für denjenigen etwas Schönes machen oder sich jemanden annähern, vor dem sie Angst hat (Marsha Linehan, 1996, S. 110). Wenn sie sich antrieblos und depressiv fühlt, kann sie üben aufzustehen und für sich selbst etwas Gutes tun. Dabei geht es auch nicht um ein 'Wegmachen' unangenehmer Emotionen, sondern auch darum, diesen praktisch etwas entgegenzuhalten und beispielsweise die Sonne über einem Streit nicht untergehen zu lassen. Dadurch kann emotionales Leiden verringert werden.

Um das Aushalten negativer Emotionen zu lernen und diese zu tolerieren, ohne impulsiv darauf zur reagieren, was letztenendes die Situation nur noch verschlimmern würde, ist es hilfreich Techniken zur Stresstoleranz anzuwenden, die im 4. Modul vermittelt werden.

Literatur:
Linehan, Marsha; Trainingsmanual zur Dialektisch Behavioralen Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, 1996, CIP-Medien
Sendera, Alice u. Martina; skills-training bei borderline- und posttraumatischer belastungsstörung, 2005, Springer
Sender, Ingrid; Ratgeber Borderline-Syndrom, 2000, CIP-Medien

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Zuletzt aktualisiert am 24.02.2020


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