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Hier geht es um die schwarz-weisse Welt von Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung und um ihre spezifischen Abwehrmechanismen. Ich habe nur beste Freunde, ich weiß von einer Sekunde auf die andere, wer mir wirklich nah und seelenverwandt ist, und den oder die will ich dann auch ganz für mich haben. Vielleicht ist das der Grund, warum meine Beziehungen immer nur so kurz halten. Scheiße ist bloß, dass es immer mit Krawall auseinander gehen muss. Aber wenn bei mir etwas vorbei ist, dann ist es definitiv vorbei, lieber ein Ende mit Schrecken... (Günter Niklewski u. Rose Riecke-Niklewski, 2003, S. 19) Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung leben in einem ständigen Dilemma. Sie haben große Schwierigkeiten und Angst, alleine zu sein, wünschen sich schnell intensive Nähe und, dass sie liebevoll umsorgt werden. Bekommen sie die ersehnte Nähe, wird es ihnen schnell zu eng, sie haben Angst verschlungen zu werden. Zudem fält es ihnen schwer, andere Menschen und auch sich selbst als jemanden mit gleichzeitig guten und negativen Eigenschaften wahrzunehmen. Ein Freund oder auch der Therapeut kann sehr schnell Retter sein, ein Engel auf Erden mit nur guten Eigenschaften, kurz darauf jedoch der Teufel in Menschengestalt. So haben sie immer wieder sehr intensive Beziehungen, die genauso schnell zu Ende sein können. Oder die Beziehungen halten lange an, sind aber gekennzeichnet von intensiver Nähe und heftigen Auseinandersetzungen mit kurzzeitigen Trennungen und ebsnso schneller Wiederannäherung. Den jeweiligen gesunden Partnern oder Freunden ist das oft schwer nachvollziehbar. Entweder sie reagieren enttäuscht und ziehen sich zurück, oder sie verhalten sich übertrieben rücksichtsvoll (Ingrid Sender, 2000, S. 14). Menschen mit einer Borderline-Störung gelingt es immer wieder, andere Menschen für sich zu gewinnen und Beziehungen einzugehen. Das trifft jedoch nicht auf alle Betroffenen zu. Nicht selten ist der Therapeut die wichtigste Bezugsperson und dann verhalten sie sich in der Therapie sehr anhänglich und weitaus zuverlässiger als Patientinnen, die verschiedene für sie als zuverlässig erscheinende Beziehungen haben (Marsha Linehan, 1996a, S. 96).
In der Psychoanalyse bezeichnet man den Wechsel von Idealisierung und Entwertung als Spaltung. Das ist ein Abwehrmechanismus von Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Bei gesunden Menschen kann es in besonders belastenden Situationen vorübergehend auch zu Spaltung und Abwertung kommen, bei Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung jedoch bestehen die borderlinetypischen Abwehrmechanismen jedoch dauerhaft (Birger Dulz u. Anegla Schneider, 2004, S. 34).
Borderline-Patienten dagegen haben eigene Ich-Grenzen weitgehend entwickelt, weshalb sie nur in Krisensituationen und dann nur kurzfristig psychotisch reagieren (Birger Dulz u. Angela Schneider, 2004, S. 34). Was sie jedoch nicht gelernt haben, ist, dass ein Mensch gleichzeitig gute Eigenschaften hat und negative. Dass jemand eine Bitte abschlagen kann und trotzdem ein liebenswürdiger Mensch bleibt. Zur Entwicklung einer Borderline-Persönlichkeitsstörungen gehört mehr als dieser Mechnismus der Spaltung, jedoch ist es ein wesentliches Markmal der Störung.
Wenn jemand entweder nur gut ist oder nur böse, dann ist er einzuordnen, dann sind die Verhältnisse klar, dann gibt es keine innere Irritation, dann nimmt die Angst ab (Birger Dulz u. Angela Schneider, 2004, S. 35). Zur Spaltung zugehörig ist die primitive Idealisierung, bei der Menschen als ausschließlich nur gut erlebt und wahrgenommen werden, egal wieviele Flecken der jenige auf seiner weißen Weste hat. Oder wie wenig die Patientin ihn überhaupt kennt. So kann eine Borderline-Patientin den neuen Therapeuten als ihren Retter empfinden, der ihr endlich hilft (und nur er), bis sie Eigenschaften bemerkt oder Begrenzungen in der Beziehung erlebt, die das zuvor idealisierte Bild, das nicht der realen Person entsprach ins Gegenteil umkippen lässt. Das lässt sich vielleicht erklären mit einem gesunden Menschen, der sich verliebt hat und im Laufe der entstandenen Beziehung Eigenschaften an der Partnerin oder am Partner entdeckt, die er als weniger erfreulich oder negativ empfindet. Ein gesunder Mensch wird diese neu entdeckten negativen Eigenschaften in sein bisheriges vorwiegend positives von Verliebtsein geprägtes Bild des Partners oder der Partnerin integrieren und akzeptieren. Eine Borderline-Patientin, das trifft auf männliche Betroffene natürlich auch zu, wird diese von ihr als schlecht beurteilten und neu entdeckten Eigenschaften nicht in ihr bisheriges nur positives Bild integrieren, sondern mit völliger Entwertung reagieren. Ebenso kann es dem Therapeuten ergehen, wenn eine Borderline-Patientin festellen muss, dass er nicht alle ihre Probleme lösen kann oder er ihr Grenzen setzt. So liegen primitive Idealisierung und Entwertung nahe beieinander. Ein weiterer Abwehrmechanismus bei Borderline-Patienten ist die Projektive Identifizierung. Dabei werden eigene, vor allem aggressive Anteile auf das Gegenüber projeziert, gleichzeitig aber ein Einssein mit dem Betreffenden empfunden. Das führt dazu, dass der Borderline-Patient den anderen Menschen, auf den er seine Aggressionen projeziert hat und mit dem er sich eins fühlt, mit allen Mitteln kontrollieren und möglicherweise angreifen muss. Der eigene Hass wird dem anderen unterstellt, dieser dann nicht selten sogar dazu gebracht, den projezierten Hass seinerseits zu erleben und entsprechend zu handeln. Der Betroffene vermag sich somit als Opfer von dessen Hasses zu sehen und schützt sich hierdurch vor den Schuldgefühlen wegen der eigenen Aggressivität (Birger Dulz u. Angela Schneider, 2004, S.38).
Bei zunehmender Reifung ist auch das Projezieren 'guter' Anteile möglich (Birger Dulz u. Angela Schneider, 2004, S. 39) , was sich in bei den Betroffenen beispielsweise in dem Wunsch nach einem helfenden oder sozialen Beruf zeigen kann.
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